Netzwerk

Quanten-Internet rückt näher

Ein Quantennetzwerk aus einzelnen Atomen

Forschungsbericht 2012 - Max-Planck-Institut für Quantenoptik Ein Quantennetzwerk aus einzelnen Atomen Autoren Ritter, Stephan; Rempe, Gerhard Abteilungen „Quantendynamik“ Zusammenfassung Quantennetzwerke, die dem Austausch und der Speicherung von Quanteninformation dienen, sollen eines Tages die Vernetzung von Quantencomputern ermöglichen. Ein erster Prototyp eines solchen Netzwerkes basierend auf einzelnen Atomen konnte demonstriert werden. Die Atome sind ausgezeichnete Speicherelemente für Quantenzustände, die zwischen den räumlich getrennten Netzwerkknoten mittels einzelner Photonen übertragen werden. Die effiziente Schnittstelle zwischen einzelnen Atomen und Photonen basiert auf einem optischen Resonator und ermöglicht auch die Verschränkung zweier Netzwerkknoten. Quantennetzwerke, die dem Austausch und der Speicherung von Quanteninformation dienen, sollen eines Tages die Vernetzung von Quantencomputern ermöglichen. Ein erster Prototyp eines solchen Netzwerkes basierend auf einzelnen Atomen konnte demonstriert werden. Die Atome sind ausgezeichnete Speicherelemente für Quantenzustände, die zwischen den räumlich getrennten Netzwerkknoten mittels einzelner Photonen übertragen werden. Die effiziente Schnittstelle zwischen einzelnen Atomen und Photonen basiert auf einem optischen Resonator und ermöglicht auch die Verschränkung zweier Netzwerkknoten.

Kommunikation, also der Austausch von Informationen, ist allgegenwärtig. Sie ist essentiell für Wirtschaft, Handel und Technik und gleichermaßen die Grundlage für Kulturleistungen. Dank der Erfindung des Telefons oder des Internets werden die Distanzen zwischen den Kommunikationspartnern zunehmend irrelevant und neben Sprache können Texte, Bilder und beliebige andere digitale Daten mit Lichtgeschwindigkeit ausgetauscht werden. Die kleinste Informationseinheit ist dabei das Bit, das einen von zwei möglichen Zuständen annehmen kann, z. B. 0 oder 1. Jedes Bit benötigt einen physikalischen Träger, z. B. einen Lichtpuls, der es übertragen kann, oder atomare Strukturen, die es speichern. Die stetige Miniaturisierung dieser Informationsträger ermöglicht immer größere Speicherkapazitäten, eine immer schnellere Datenverarbeitung und immer höhere Datenraten bei der Übertragung. Sie findet jedoch spätestens dann eine physikalische Grenze, wenn der Träger der Information nur noch aus einem einzelnen Atom oder einem einzelnen Lichtquant („Photon“) besteht. Dann gelten nicht mehr die Gesetze der klassischen Physik, sondern die der Quantenmechanik. Weil Atome und Photonen Quantenteilchen sind, kann man in ihnen nicht nur klassische Bits, sondern auch Quantenzustände speichern und transportieren.

Im Unterschied zu klassischen Bits können Quantenbits (kurz „Qubits“) die Werte 0 und 1 gleichzeitig annehmen – sie befinden sich in einer kohärenten Überlagerung beider Zustände. Erst bei einer Messung des Quantenbits wird dieses auf einen der beiden Werte projiziert. Qubits sind sehr fragil und werden z. B. durch Beobachtung (Messung) verändert. Daher können sie auch nicht kopiert werden. Dies ist Herausforderung und Chance zugleich und hat weitreichende Konsequenzen für die Verarbeitung und Übertragung von Quanteninformation. So können mit einem Quantencomputer beispielsweise gewisse Probleme effizienter gelöst werden, als dies mit einem klassischen Computer je möglich sein wird.

Quantennetzwerke

Abb. 1: Künstlerische Darstellung des Quantennetzwerkes: Zwei einzelne Atome werden zu einem Netzwerk verbunden. Quanteninformation kann zwischen diesen kleinsten Speichern in Form einzelner Photonen ausgetauscht werden. © Max-Planck-Institut für Quantenoptik / Neuzner Abb. 1: Künstlerische Darstellung des Quantennetzwerkes: Zwei einzelne Atome werden zu einem Netzwerk verbunden. Quanteninformation kann zwischen diesen kleinsten Speichern in Form einzelner Photonen ausgetauscht werden. © Max-Planck-Institut für Quantenoptik / Neuzner

Der im Alltag üblichen, reibungslosen Kommunikation liegen ausgeklügelte Netzwerke zugrunde, über die Daten weltweit mit Lichtgeschwindigkeit zwischen verschiedenen Knoten verteilt werden. Entsprechende Netzwerke für den Austausch von Quanteninformation stellen eine enorme konzeptionelle und technologische Herausforderung dar. Damit die zu übertragenden Quantenzustände nicht verfälscht werden oder gar verloren gehen, müssen die einzelnen quantenmechanischen Komponenten in einem Netzwerk perfekt kontrolliert werden. Durch die speziellen Eigenschaften der Quantenteilchen ergibt sich – neben ihrer Bedeutung für fundamental-physikalische Fragestellungen – aber auch eine Vielzahl neuartiger Anwendungen für Quantennetzwerke, z. B. im Bereich der abhörsicheren Datenübertragung (Quantenkryptographie), der Simulation komplexer physikalischer Vielteilchen-Systeme oder der Vernetzung mehrerer Quantencomputer zu einer Recheneinheit.

Wie also realisiert man ein skalierbares Quantennetzwerk? Ein erfolgversprechendes Konzept ist ein Netz aus Quantenspeichern, den stationären Netzwerkknoten, zwischen denen Quanteninformation mittels einzelner Photonen über weite Strecken reversibel ausgetauscht werden können (Abb. 1).

Ein-Atom-Quantenspeicher für einzelne Photonen

In einen solchen optischen Quantenspeicher muss ein photonisches Qubit eingeschrieben, für eine gewisse Zeit gespeichert und möglichst unverfälscht wieder ausgelesen werden können. Ideal ist der Austausch der Quanteninformation direkt zwischen einzelnen Quantenteilchen, also einzelnen Photonen und einzelnen Atomen, da sich diese gezielt adressieren und manipulieren lassen. Ein Qubit lässt sich in der Polarisation eines einzelnen Photons kodieren, genauer gesagt in einer kohärenten Überlagerung aus zwei Polarisationszuständen, z. B. rechts- und linkszirkularer Polarisation. Die Anteile und Relativphase dieser beiden Polarisationszustände müssen beim Speicherprozess auf eine kohärente Überlagerung zweier Energieniveaus des Atoms übertragen werden, um das photonische Qubit im Atom zu speichern [1].

Im Experiment besteht die erste zu meisternde Herausforderung darin, ein einzelnes Rubidiumatom für längere Zeit festzuhalten. Dies gelingt mithilfe von Laserlicht in einer sogenannten optischen Pinzette [2]. Der Ort des Atoms kann so auf Mikrometer genau kontrolliert werden [3]. Eine effiziente und zuverlässige Übertragung der Quanteninformation zwischen Atom und Photon setzt eine viel stärkere Wechselwirkung voraus, als für einzelne Atome und einzelne Photonen im freien Raum realisierbar ist. Eine Erhöhung der Wechselwirkung kann mit einem optischen Resonator erreicht werden [4,5]. Dieser besteht aus zwei hochreflektierenden Spiegeln, zwischen denen das elektrische Feld des einzelnen Photons überhöht wird. Dies kann man sich vereinfacht so vorstellen, dass das Photon einige zehntausend Mal zwischen den beiden Spiegeln hin- und herläuft und jedes Mal am Atom vorbeikommt. So wird starke Atom-Photon-Wechselwirkung erreicht und es gelingt mithilfe eines Steuerlasers, die Information des Photons auf das Atom zu übertragen [1] (Abb. 2).

Abb. 2: Der Einzelatom-Quantenspeicher: Ein einzelnes Rubidiumatom (1) wird mit einer optischen Pinzette (2) in einem Resonator (blaue Kegelstümpfe) festgehalten. Quanteninformation, kodiert in der Polarisation einzelner Photonen, kann in den Speicher eingeschrieben (3) und ausgelesen werden (5). Diese Prozesse werden mit einem Steuerlaser (4) kontrolliert. Links ist das Fluoreszenzbild eines Einzelatoms gezeigt. © Max-Planck-Institut für Quantenoptik Abb. 2: Der Einzelatom-Quantenspeicher: Ein einzelnes Rubidiumatom (1) wird mit einer optischen Pinzette (2) in einem Resonator (blaue Kegelstümpfe) festgehalten. Quanteninformation, kodiert in der Polarisation einzelner Photonen, kann in den Speicher eingeschrieben (3) und ausgelesen werden (5). Diese Prozesse werden mit einem Steuerlaser (4) kontrolliert. Links ist das Fluoreszenzbild eines Einzelatoms gezeigt. © Max-Planck-Institut für Quantenoptik

Beim umgekehrten Prozess, der Übertragung der Quanteninformation vom Atom auf ein einzelnes Photon, muss dieses Photon mit den richtigen Polarisationseigenschaften zunächst erzeugt werden. Auch hierzu wird ein Steuerlaser verwendet [6,7]. Der Resonator definiert dabei die Emissionsrichtung des Photons, sodass dieses in eine Glasfaser eingekoppelt und in dieser gezielt zu einem andern Netzwerkknoten transportiert werden kann. Der Einzelatom-Quantenspeicher reproduziert das ursprüngliche Lichtquant mit diesem Verfahren weit besser, als es mit klassischen Messverfahren je möglich wäre. Die Quanteninformation kann trotz ihrer Fragilität fast 200 Mikrosekunden lang gespeichert werden. Das übertrifft alle bisher mit optischen Quantenspeichern erreichten Werte.

Ein elementares Quantennetzwerk

Auf Basis zweier dieser Quantenspeicher wurde ein erstes, elementares Quantennetzwerk verwirklicht, zwischen dessen Knoten über den kohärenten Austausch einzelner Photonen Quanteninformation übertragen wird [8]. Dazu wurden zwei Atom-Resonator-Systeme, die jeweils einen Netzwerkknoten bilden und sich in zwei 21 Meter voneinander entfernten Laborräumen befinden, über eine 60 Meter lange Glasfaser verbunden (Abb. 3).

Abb. 3: Physikalische Realisierung der Netzwerkverbindung: Jeder Netzwerkknoten besteht aus einem einzelnen Atom in einem optischen Resonator. Diese sind durch Glasfasern miteinander verbunden. © Max-Planck-Institut für Quantenoptik Abb. 3: Physikalische Realisierung der Netzwerkverbindung: Jeder Netzwerkknoten besteht aus einem einzelnen Atom in einem optischen Resonator. Diese sind durch Glasfasern miteinander verbunden. © Max-Planck-Institut für Quantenoptik

Die Übertragung des Quantenzustandes gelingt, indem Knoten A ein einzelnes Photon erzeugt und dabei den Quantenzustand des Atoms auf das Photon überträgt. Über die Glasfaser gelangt das Photon zu Knoten B, wo es von dem dortigen Einzelatom kohärent absorbiert wird. Danach ist A bereit, ein Qubit zu empfangen, während B in der Lage ist, das gespeicherte Qubit zu beliebiger Zeit zurück oder an einen weiteren Knoten zu schicken. Aufgrund dieses symmetrischen und umkehrbaren Verhaltens lässt sich das System zu beliebigen Netzwerkkonfigurationen mit vielen Atom-Resonator-Knoten erweitern. Der Nachweis des erfolgreichen Transfers des Quantenzustandes erfolgt durch Übertragung des Zustandes von Atom B auf die leicht messbare Polarisation eines weiteren Photons. Alternativ könnte der Zustand des Atoms im Prinzip auch direkt gemessen werden [9].

In einem weiteren Schritt konnte zwischen den zwei weit voneinander entfernten Quantenknoten eine quantenmechanische „Verschränkung“ erzeugt werden. Dieser höchst eigentümliche Zustand verknüpft zwei Quantenobjekte in der Art, dass ihre Eigenschaften eng und nicht-trivial korreliert sind, unabhängig von der Distanz zwischen ihnen. Dieses vor fast achtzig Jahren vorhergesagte Phänomen hat Albert Einstein (der daran nicht glauben mochte) als „geisterhafte Fernwirkung“ bezeichnet. Die Produktion eines Photons in Knoten A erfolgt jetzt so, dass sein Polarisationszustand mit dem Quantenzustand des emittierenden Atoms verschränkt ist [6,7]. Diese Verschränkung überträgt sich bei der Absorption auf Atom B. Nie zuvor wurde Verschränkung zwischen massiven Quantenobjekten über eine so große Entfernung erzielt. Die Verschränkung zwischen beiden Knoten kann über einen Zeitraum von 100 Mikrosekunden aufrecht erhalten werden, das ist rund 100 Mal länger, als für die Erzeugung der Verschränkung gebraucht wird [8].

Verschränkung wurde auch in einem hybriden System erreicht, in dem einer der beiden Einzelatom-Resonator-Netzwerkknoten durch ein ultrakaltes atomares Gas, ein sogenanntes Bose-Einstein-Kondensat, ersetzt wurde [10]. In dem Gas wird die Quanteninformation als kollektive Anregung gespeichert.

Ausblick

Der hier beschriebene Ansatz für die Realisierung eines Quantennetzwerkes, demonstriert an einem Prototypen aus zwei Netzwerkknoten, ist auch deshalb so erfolgversprechend, weil er aufgrund der universellen Eigenschaften der hier demonstrierten Netzwerkkomponenten klare Perspektiven für seine Erweiterbarkeit bietet. Das Potenzial dieses elementaren Netzwerkes hinsichtlich Effizienz, Qualität des Zustandstransfers, Speicherzeit, Anzahl der Knoten, etc. ist noch groß. Auch gibt es Vorschläge, wie mit Atom-Resonator-Systemen Quantengatter realisiert werden könnten, wie sie für die Verarbeitung von Quanteninformation und damit für die Realisierung eines Quantencomputers benötigt werden. Die Verschränkung zweier Systeme über große Distanzen ist schon für sich genommen ein faszinierendes quantenmechanisches Phänomen. Sie kann aber im Prinzip auch als Ressource für einen Quantenrepeater genutzt werden. In Kombination mit der Quantenteleportation sollte dies nicht nur die Quantenkommunikation über sehr große Entfernungen ermöglichen, sondern vielleicht sogar ein ganzes Quanten-Internet.

Literaturhinweise

1. Specht, H. P.; Nölleke, C.; Reiserer, A.; Uphoff, M.; Figueroa, E.; Ritter, S.; Rempe, G. A single-atom quantum memory Nature 473, 190–193 (2011)

2. Hijlkema, M.; Weber, B.; Specht, H. P.; Webster, S. C.; Kuhn, A.; Rempe, G. A single-photon server with just one atom Nature Physics 3, 253–255 (2007)

3. Nußmann, S.; Hijlkema, M.; Weber, B.; Rohde, F.; Rempe, G.; Kuhn, A. Sub-micron positioning of single atoms in micro cavities Physical Review Letters 95, 173602 (2005)

4. Cirac, J. I.; Zoller, P.; Kimble, H. J.; Mabuchi, H. Quantum state transfer and entanglement distribution among distant nodes in a quantum network Physical Review Letters 78, 3221-3224 (1997)

5. Kuhn, A.; Hennrich, M.; Rempe, G. Deterministic single-photon source for distributed quantum networking Physical Review Letters 89, 067901 (2002)

6. Wilk, T.; Webster, S. C.; Kuhn, A.; Rempe, G. Single-atom single-photon quantum interface Science 317, 488–490 (2007)

7. Weber, B.; Specht, H. P.; Müller, T.; Bochmann, J.; Mücke, M.; Moehring, D. L.; Rempe, G. Photon-photon entanglement with a single trapped atom Physical Review Letters 102, 030501 (2009)

8. Ritter, S.; Nölleke, C.; Hahn, C.; Reiserer, A.; Neuzner, A.; Uphoff, M.; Mücke, M.; Figueroa, E.; Bochmann, J.; Rempe, G. An elementary quantum network of single atoms in optical cavities Nature 484, 195–200 (2012)

9. Bochmann, J.; Mücke, M.; Guhl, C.; Ritter, S.; Rempe, G.; Moehring, D. L. Lossless state detection of single neutral atoms Physical Review Letters 104, 203601 (2010)

Neuer Rekord: Weltgrößtes Quantennetzwerk über 46 Knoten demonstriert

Aktuelle Verschlüsselungsmethoden schützen über das Internet versandte Informationen relativ gut, vollkommen sicher vor einem unauthorisierten Abgreifen sind die Daten allerdings nicht. In Zukunft könnte ein Quanteninternet genau dieses Problem lösen.

Schon mehrfach demonstrierten Physiker, dass über den Austausch miteinander verschränkter – also quantenmechanisch gekoppelter – Photonen ein unerwünschter Lauschangriff nie unentdeckt bleibt und ein Datentransfer nicht von einem Dritten belauscht werden kann.

Bei fast allen diesen Pilotversuchen handelte es sich jedoch um Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zwischen Sender und Empfänger. Für ein komplexes Netzwerk müsste jeder Sender mit jedem Empfänger verknüpft werden, was für viele Teilnehmer exorbitant viele Datenleitungen entspräche. Doch nun gelang chinesischen Forschenden der Aufbau und der Betrieb eines komplexeren Quantennetzwerk mit insgesamt 46 Knoten in der Stadt Hefei ohne zahlreiche Punkt-zu-Punkt-Verbindungen. Dieses derzeit weltweit größte Quantennetzwerk kann als kleiner, aber wichtiger Schritt hin zu einem globalen Quanteninternet gelten.

Lesen Sie auch Abhörsicher: Erste quantengesicherte Videokonferenz zwischen Bundesbehörden

Drei Jahre testen in Hefei

Das Team um Teng-Yun Chen von der University of Science and Technology of China in der Acht-Millionen-Stadt Hefei verknüpfte mit ihren Quantennetzwerk insgesamt 40 Computer. Diese befanden sich in Gebäuden von Banken, Universitäten und der städtischen Verwaltung. Je etwa ein Drittel der Rechner verbanden die Forscher in drei Subnetzwerken, die jeweils zwischen elf und 18 Kilometern voneinander entfernt sind. Zur Übertragung der verschränkten Photonenpaare nutzten sie handelsübliche Glasfaserkabel bei einer Übertragungswellenlänge von 1.550 Nanometern.

Über fast drei Jahre testeten Chen und Kollegen die Übertragung von quantenphysikalisch verschlüsselten Codes zwischen den drei Subnetzwerken. Dabei kamen je drei Schaltmodule oder alternativ Relais-Stationen (relays) zum Einsatz. Die Schalter dienten dabei als eine Vermittler-Station für die Photonen und machten direkte Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zwischen allen 40 Computern überflüssig. Der Nachteil: Fällt nur ein Schalter aus, sind zugleich die Verbindungen zu allen Computern im angeschlossenen Subnetzwerk unterbrochen.

Alternativ konnten mehrere Relais-Stationen den Austausch von Quantenschlüsseln zwischen allen Sendern und Empfängern gewährleisten. Diese Relais-Stationen sind wegen möglicher Umleitungen zwar robuster als die Verknüpfungen über Schalter. Doch dafür haben sie einen anderen Nachteil: An einer Relais-Station wird der Quantenschlüssel eines Senders ausgelesen und ein neuer Schlüssel generiert und weitergeleitet. So klafft hier eine mögliche Sicherheitslücke, da hier die übermittelten Daten abgefangen werden könnten. Eine Relais-Station müsste daher besonders gegen einen unbefugten Zugriff geschützt werden, um als vertrauenswürdig gelten zu können.

Die Quantenforscher testeten in ihrem Netzwerk beide Varianten mit Schaltern oder Relais-Stationen. Dabei erfolgt die Übertragung der Quantenschlüssel noch relativ langsam. So dauerte es bis zu fünf Minuten, bis eine verlässliche Verbindung zwischen je zwei Rechnern aufgebaut werden konnte. Zudem erlaubte das Netzwerk nur eine bescheidene Datenrate von 49,5 Kilobits pro Sekunde – vergleichbar mit der Geschwindigkeit von Telefonmodems in den frühen 1990er Jahren.

Dieses Hefei-Quantennetzwerk zeigt, wie einzelne Computercluster über eine Vermittlungsstelle – die Schalter oder Relais-Stationen – miteinander verbunden werden können. Auf diesem Prinzip aufbauend könnten nun auch quantenkryptografische Schlüssel über deutlich weiter voneinander entfernte Cluster – etwa über Satellitenkanäle – ausgetauscht werden. Die als "vertrauenswürdig" bezeichneten Relais-Stationen bilden jedoch noch eine angreifbare Schwachstelle. In der Zukunft wären Quantennetzwerke ideal, die auf solche Vermittlungsstellen verzichten könnten.

Lesen Sie auch Auf dem Weg zum Quanten-Netz: Forscher gelingt Meilenstein

(bsc)

Quanten-Internet rückt näher

Durchbruch für die Quantenkommunikation: Forscher haben erstmals ein gut skalierbares Quanten-Netzwerk entwickelt. In ihm können mehrere Nutzer frei untereinander kommunizieren, ohne dass teure Hardware-Knoten oder aktive Umschalter nötig sind. In einem ersten Test funktionierte dieses Quanten-Netzwerk mit acht Teilnehmern sogar über das städtische Glasfasernetz, wie die Physiker im Fachmagazin „Science Advances“ berichten.

Dank quantenphysikalischer Phänomene wie der Verschränkung lassen sich Daten mittels Quantenkommunikation abhörsicher übertragen – innerhalb einer Stadt, über Kontinente hinweg und sogar bis in den Orbit. Die Informationen werden dabei durch Laserphotonen über das städtische Glasfasernetz, per Unterseekabel oder auch durch die Luft transportiert. Bisher allerdings ließen sich die dafür nötigen Quantenschlüssel in Form verschränkter Photonenpaare jeweils nur zwischen zwei Nutzern teilen.

Das Problem der Skalierung

Doch um eines Tages ein größeres Quanten-Netzwerk oder sogar ein Quanten-Internet aufzubauen, muss das Teilen der Quantenschlüssel zwischen mehr als nur zwei Nutzern möglich sein. Um das erreichen, sind bisher jedoch entweder zusätzliche Hardware-Knoten nötig, die die Sicherheit des Netzwerks herabsetzen, oder aber man nutzt Schaltungen, durch die zumindest nacheinander wechselnde Nutzerpaare kommunizieren können.

„Bisher nutzte man für die Ausdehnung des Netzwerks aufwändige Infrastruktur und ein System, das für jeden zusätzlichen Nutzer einen weiteren Transmitter und Receiver benötigt“, erklärt Erstautor Siddarth Joshi von der University of Bristol. „Botschaften auf diese Weise auszutauschen – über sogenannte trusted nodes – ist aber nicht optimal, weil es viel zusätzliche Hardware braucht und die Sicherheit verringert.“

Quantenkommunikation ohne Zusatzknoten und Schalter

Eine Alternative, die mit weniger Hardware, Aufwand und Mängeln auskommt, könnten Joshi und sein Team nun entwickelt haben. Ihre Technologie erlaubt es Nutzern in einem Quanten-Netzwerk, mit jedem anderen Nutzer Quantenschlüssel in Form verschränkter Photonen auszutauschen, ohne dass dafür zusätzliche Hardware-Knoten oder aktive Schaltungen nötig sind.

Anzeige

Möglich wird dies durch die Anwendung des schon in der Telekommunikation gängigen Multiplexings. Dieses erlaubt es, Signale auf bestimmte Weise zu bündeln oder aufzuspalten. Auf ähnliche Weise nutzen die Wissenschaftler halbtransparente Spiegel, um ihre Strahlen verschränkter Photonen aufzusplitten. „Da wir verschiedene Wellenlängen nutzen, können die Kommunikationspartner sich auf die jeweils relevante Wellenlänge konzentrieren und die restlichen Photonen ignorieren“, erklärt Koautor Sören Wengerowsky vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation Wien.

Erfolgreicher Test mit acht Nutzer im städtischen Netz

Das Resultat ist ein Quanten-Netzwerk mit acht Nutzern, von denen jeder mit jedem anderen frei kommunizieren kann. Daraus ergeben sich 28 mögliche Nutzerpaare, die Quantenschlüssel untereinander austauschen können. Statt der mit herkömmlicher Technik nötigen 56 Empfänger wurden dafür nur 16 Wellenlängenkanäle gebraucht. „Die physische Ebene des Netzwerks entspricht einer einfachen Nabe-und-Speichen-Struktur, während auf der logischen Ebene jedes Nutzerpaar immer ein verschränktes Photonenpaar teilt“, erklären die Forscher.

Ob das System funktioniert, haben Joshi und sein Team zuerst innerhalb ihres Labors und dann in einem stadtweiten Quantennetz getestet. Dafür verteilten sich die acht Nutzer in der Stadt Bristol und die Signale wurden über das öffentliche Glasfasernetz übertragen. „Die 28 möglichen Nutzerverbindungen hatten dabei räumliche Entfernungen von zehn Metern bis zu 16,6 Kilometern“, so die Forscher.

„Wir haben das Netzwerk im Experiment 17 Stunden am Laufen gehalten und Datenraten zwischen fünf und 300 Bit pro Sekunde erreicht“, sagt Wengerowsky. Das reicht allerdings für viele Anwendungen noch nicht aus. Denn für optimale Sicherheit muss der Schlüssel Bit für Bit genauso groß sein wie die Nachricht, die übermittelt werden soll. „Es gibt aber technische Möglichkeiten, die Datenrate zu verbessern“, so der Forscher.

„Wichtiger Durchbruch“

„Unseres Wissens nach haben wir damit das bisher größte Quanten-Netzwerk ohne trusted nodes demonstriert“, konstatieren die Wissenschaftler. „Die neue Technologie hat damit nicht nur den Vorteil, völlig abhörsicher zu sein, sie benötigt auch nur minimale Hardware, weil sie sich gut mit existierender Technologie integrieren lässt“, so Joshi. „Das ist ein entscheidender Durchbruch.“ Seiner Ansicht nach könnte dies ein künftiges Quanten-Internet deutlich umsetzbarer machen.

„Bisher erforderte der Aufbau eines Quanten-Internets enorme Kosten, Zeit und Ressourcen und schmälerte noch dazu die Sicherheit der Verbindungen – was den Zweck einer Quantenkommunikation konterkariert“, sagt Joshi. „Unsere Lösung ist skalierbar, relativ günstig und – am wichtigsten von allen – unknackbar.“ (Science Advances, 2020; doi: 10.1126/sciadv.aba0959)

Quelle: AAAS, University of Bristol, Österreichische Akademie der Wissenschaften

4. September 2020

- Nadja Podbregar

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *